Jede MS ist anders
Jede MS ist anders. Den meisten MS-Betroffenen sieht man ihre Erkrankung nicht an. Deshalb hat auch nicht jeder MS-Betroffene einen Schwerbehindertenausweis oder einen genehmigten Gleichstellungsantrag vorliegen. Manche haben durch ihre konsequente Therapie schon jahrelang keine Anzeichen mehr auf eine aktive MS. Andere sind nur leicht eingeschränkt – der Grad der Behinderung wurde bei ihnen zwischen 30 % und unter 50 % eingestuft und der Status „gleichgestellt“ durch das Versorgungsamt genehmigt. Anderen sieht man Beeinträchtigungen durch die MS deutlicher an – oft haben sie dann auch einen Schwerbehindertenausweis vorliegen.
Begrifflichkeiten: Schwerbehinderung und Gleichstellung
Immer wieder werden in dem Artikel die Begriffe Schwerbehinderung und Gleichstellung zu lesen sein. Deshalb eine kurze Erklärung: Die Bestimmung des Grades der Behinderung (GdB) ermitteln Mitarbeiter des Versorgungsamtes anhand deiner ärztlichen Unterlagen. Eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn der Grad der Behinderung mindestens 50 % beträgt. Erst dann erhältst du auch einen Schwerbehindertenausweis. Dieser soll dich im Arbeitsleben vor gewissen Nachteilen schützen, die durch deine Erkrankung auftreten können.
Von Gleichstellung spricht man, wenn der Grad der Behinderung zwischen 30 % und unter 50 % eingestuft wurde und ein Antrag auf Gleichstellung durch die Behörde stattgegeben wurde. Auch gleichgestellte Arbeitnehmer können Unterstützung im Arbeitsleben erhalten. Und auch hier kann der Arbeitgeber von Beschäftigungsanreizen profitieren.
Grundsätzlich werden Diversität und Inklusion im Arbeitsleben wichtiger. Arbeitgeber, die darauf setzen, haben nicht nur Imagegewinne, sondern echte Vorteile. Diversity kann Einfluss auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter haben, was Produktivität und Arbeitsmoral stärken kann. Mehr als zwei Drittel aller Bewerber legen bei der Wahl ihres Arbeitsplatzes Wert auf Diversität am Arbeitsplatz.
Zudem gibt es für deinen Arbeitgeber Beschäftigungsanreize, damit er sich in einem Bewerbungsverfahren leichter für dich als Arbeitskraft entscheiden kann. Klar, zunächst zählen nur die Fähigkeiten und die Persönlichkeit der Bewerber. Aber wenn es knapp auf knapp kommt, können unter Umständen spezielle staatliche Anreize die Entscheidung für dich begünstigen: zum Beispiel Lohnkostenzuschüsse, Zuschüsse für die Ausstattung des Arbeitsplatzes oder Zuschüsse für Aus- und Weiterbildungen.
Arbeitsrechtlich geregelt: Muss ich die MS wirklich nennen?
Grundsätzlich gilt: Es besteht keine Verpflichtung, dem Arbeitgeber darüber Auskunft zu geben, dass man eine chronische Erkrankung hat, noch dass man gleichgestellt ist oder einen Behindertenausweis besitzt. Ganz konkret bedeutet das: Eine Verpflichtung zur Mitteilung besteht nur, wenn sich die MS ganz konkret auf die arbeitsvertraglichen Pflichten auswirkt. Das heißt, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner krankheitsbedingten Einschränkungen gar nicht oder nur sehr eingeschränkt in der Lage ist, Pflichten zu erfüllen, die sich aus dem Arbeitsvertrag ergeben.
Du müsstest z. B. Koordinationsstörungen angeben, wenn diese ein Risiko für dich oder deine zukünftigen Kollegen darstellen könnten. Oder wenn du in letzter Zeit unter Schüben gelitten hast, die eine wiederholte Arbeitsunfähigkeit zur Folge hatten. Verschiebt sich der Beginn deiner Arbeitsaufnahme aufgrund eines akuten momentanen Schubs oder ist eine Rehabilitationsmaßnahme zum Zeitpunkt des Arbeitsbeginns geplant, muss der Arbeitgeber auch informiert werden.
Gesetzlich geregelt – der Schutz des Arbeitnehmers im bestehenden Arbeitsverhältnis
Zunächst lohnt ein Blick darauf, welche Schutzmaßnahmen das Gesetz für schwerbehinderte Menschen in einem bestehenden Arbeitsverhältnis vorsieht. Generell dürfen sie vom Arbeitgeber nicht benachteiligt werden. Im Gegenteil: Er muss sie umfassend fördern und so beschäftigen, dass sie ihre Kenntnisse und Fähigkeiten möglichst voll verwerten können. Schwerbehinderte haben unter anderem Anspruch auf einen behindertengerechten Arbeitsplatz, Teilzeitarbeit, wenn die Behinderung eine kürzere Arbeitszeit erfordert, besonderen Kündigungsschutz, fünf Tage bezahlten zusätzlichen Urlaub im Jahr und keine Verpflichtung Überstunden zu leisten.
Gesetzlich geregelt – was müssen Arbeitgeber auf der Suche nach neuen Arbeitnehmern beachten?
In Stellenanzeigen von Unternehmen liest man häufig den Verweis: „Schwerbehinderte Bewerber werden bei gleicher Eignung besonders berücksichtigt“. Eine Verpflichtung, die genannte Formulierung in eine Stellenausschreibung aufzunehmen, besteht nicht. Bei Anzeigen mit dieser Formulierung kann man sich als Bewerber zumindest sicher sein, dass man den Anforderungen grundsätzlich auch mit einer Behinderung entsprechen kann. Mehr sagt die Formulierung nicht aus, denn die Bevorzugung schwerbehinderter Bewerber bei gleicher Eignung ist im Bundesgleichstellungsgesetz für alle Stellenangebote verankert. Egal ob die Zeilen in der Anzeige enthalten sind oder nicht.
Die Auswirkung dieser „Bevorzugung“ zeigt sich bereits im Bewerbungsprozess. Klar – die erste Voraussetzung ist, dass der Bewerber fachlich und persönlich für die Stelle geeignet sein muss. Maßstab dafür ist die Stellenausschreibung und das darin enthaltene Anforderungsprofil. Aber ist diese Bedingung erfüllt, ist ein potenziell neuer Arbeitgeber dazu verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber zu einem Bewerbungsgespräch einzuladen. In diesem soll dem Bewerber die Gelegenheit gegeben werden, mit seiner Fachkompetenz und seiner Persönlichkeit zu überzeugen.
Wenn du keine für den künftigen Job bedeutungsvollen körperlichen Beeinträchtigungen hast, kann im Bewerbungsgespräch die Frage nach einer chronischen Erkrankung verneint werden. Das ist im Sozialgesetzbuch 9 und dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) festgelegt worden.
Macht es Sinn, die MS im Bewerbungsverfahren zu nennen?
Bestehen für den künftigen Job keine bedeutungsvollen körperlichen Beeinträchtigungen, solltest du für dich entscheiden, ob du die MS im Bewerbungsverfahren erwähnen möchtest oder nicht. Viele haben Sorgen davor, dass die MS den Weg auf der Karriereleiter versperren könnte. Andere benötigen die gesetzlich geregelte Unterstützung, um arbeitsfähig zu sein und zu bleiben. Du kannst entscheiden, ob es sinnvoll ist, von deiner bestehenden Gleichstellung oder dem Vorliegen eines Schwerbehindertenausweises zu berichten. Liegt beides nicht vor, hast du von der Weitergabe der Information keinen „Vorteil“.
Die schriftliche Bewerbung
Im gesamten Bewerbungsprozess ist es immer wieder sinnvoll, sich in die Lage des potenziellen Arbeitgebers hineinzuversetzen. Womit sammelt man Pluspunkte? Was sind Dinge, die nicht so gerne gesehen werden? Bei der schriftlichen Bewerbung sind Lücken im Lebenslauf bei Personalern ungern gesehen. Aber was ist, wenn längere Krankenhausaufenthalte oder Rehabilitationsmaßnahmen notwendig waren? Man kann die Zeit mit losen Formulierungen füllen wie: „Krankheit und Rehabilitationsphase“. Das ist unverfänglich und auch nicht geschwindelt. Damit verzichtest du darauf, deine MS zu erwähnen. Gerade wenn du körperlich ohne Einschränkungen lebst, kann dieser Weg richtig sein. Bist du sichtbar körperlich eingeschränkt, ist das Thematisieren der Schwerbehinderung wahrscheinlich der bessere Weg. Spätestens beim persönlichen Gespräch kann man gewisse Dinge auch nicht mehr verstecken. Deshalb kann in der schriftlichen Bewerbung eine Formulierung wie „Die Voraussetzung für eine Schwerbehinderung erfülle ich mit Grad 50“ helfen. Auch dann muss der Arbeitgeber nicht wissen, um was für eine Krankheit es sich tatsächlich handelt. Er weiß dann aber Bescheid, welchen gesetzlichen Verpflichtungen er nachkommen muss.
Das mündliche Vorstellungsgespräch
Bist du zum mündlichen Vorstellungsgespräch eingeladen, hast du die erste Hürde geschafft. Nun gilt es zu überzeugen. Auch mit einer MS bringst du sehr gute Voraussetzungen mit. Wichtig ist zu zeigen, dass du dich als Fachkraft auf die geforderte Stelle bewirbst – und eine eventuelle Behinderung keinen Einfluss auf Können oder Motivation haben. Wenn das Gespräch auf die Behinderung zu sprechen kommt, solltest du gut darauf vorbereitet sein. Sicher, du kannst antworten: „Das dürfen Sie nicht fragen“ – aber es kann sein, dass du dann Pluspunkte verspielst.
Falls du die MS erwähnst, erkläre sie verständlich. Ein paar Hilfestellungen dazu findest du weiter unten. Sofern Einschränkungen für Außenstehende erkennbar sind, thematisiere sie und erkläre, inwiefern diese einschränkend wirken, aber deine Arbeit grundsätzlich nicht beeinträchtigen. Das offene und transparente Verhalten im Vorstellungsgespräch kann dazu beitragen, Vorbehalte gegen die MS auszuräumen. Vielleicht passt es in dem einen oder anderen Moment zu zeigen, dass im Umgang mit deiner MS viele positive Charaktereigenschaften zum Tragen gekommen sind, die auch im Berufsleben zählen: Selbstdisziplin, Durchhaltevermögen und eine positive Grundeinstellung zum Leben. So steht dem Wunschberuf auch mit MS grundsätzlich nichts im Wege.
Argumente, warum dein neuer Arbeitgeber nicht auf dich verzichten sollte:
- Untersuchungen belegen, dass Arbeitnehmer mit MS im Durchschnitt nicht häufiger im Krankenstand sind als andere.
- Deine Einsatzbereitschaft wird durch die Erkrankung nicht geschmälert.
- Deine Qualifikation und Erfahrung werden durch MS nicht beeinträchtigt.
- Multiple Sklerose führt nicht zwangsläufig zu körperlichen Einschränkungen.
- In den letzten Jahren wurde das Spektrum verfügbarer Therapien, die helfen können, Symptome und Schübe besser zu kontrollieren, maßgeblich erweitert.
Dein MS Service-Center – rund um die Uhr erreichbar
Gemeinsam lassen sich viele Situationen besser lösen. Wir sind als zentrale Anlaufstelle für praktische Aspekte und ergänzende individuelle Aufklärung exklusiv für Patient*innen auf Biogen-Medikamenten da. Unser MS-Kompetenzteam inspiriert dich mit neuen Lösungsansätzen bei allen kleinen und großen Alltagsthemen mit MS.
Wähle die 0800 030 77 30 oder schreibe an info@ms-service-center.de.
Spezielle Jobbörsen
Du kannst dein Glück auf der Suche nach einem neuen Job entweder auf dem normalen Arbeitsmarkt versuchen oder – falls relevant – auch in den Jobbörsen speziell für Behinderte nachschlagen.
Was du tun kannst, um deine Arbeitskraft mit MS lange zu erhalten
Eine erfreuliche Nachricht: Untersuchungen haben gezeigt, dass die Anzahl der erwerbstätigen Menschen mit MS im Vergleich zu den 80er-Jahren gestiegen ist. Eine Erklärung dafür sind die heutigen verbesserten Behandlungsformen. Aber auch der Umgang der Arbeitgeber mit MS-Betroffenen hat sich verbessert. Und Fachleute werden gesucht: mit und ohne MS. Damit du deine Arbeitskraft lange erhalten kannst, gibt es einige Dinge, die du dafür tun kannst:
Entscheide dich gemeinsam mit dem Arzt für eine Behandlung, die deine individuellen Bedürfnisse und deine Lebenssituation berücksichtigt.
Wende verordnete Medikamente entsprechend der ärztlichen Empfehlung an. Nur so kann ein Fortschreiten der Krankheitsaktivität verhindert werden.
Nimm die vereinbarten Untersuchungstermine wahr. Nur so kann dein behandelnder Arzt den Verlauf deiner MS genau beurteilen.
Besprich mit deinem Arzt auch andere Symptome wie Fatigue oder Gangstörungen. In vielen Fällen kann dir geholfen werden.
Ein aktiver Lebensstil, Sport und Physiotherapie können die Beweglichkeit und Leistungsfähigkeit bei MS steigern.
Achte auf einen gesundheitsförderlichen Lebensstil. Neben regelmäßiger Bewegung spielen hier verschiedene Faktoren eine Rolle: gesunde ausgewogene Ernährung, ausreichender Schlaf, Erlernen von Bewältigungsstrategien, ein Rauchstopp, Vermeidung von Übergewicht und Methoden zum Stressabbau.