@ Renate_S

Gerade ohne Erfahrung können ein paar kleine Hilfestellungen Großes bewirken.
von matilde1807
Am
Beiträge: 45
Registriert: 24. Januar 2013, 14:48

@ Renate_S

Liebe Renate,

ich denke,dass ich hier für viele spreche wenn ich sage,dass ich viel von dir und deinem unglaublichen Wissen halte - Chapeau!

Im Thread "Fischhirn" viel deinerseits der Name TERRY WAHLS.
Ich habe so einiges über sie gelesen und weiß nicht so recht,wo ich ihre Ernährung einordnen soll?!

Quatsch oder absolut richtig?!
Zumal ich viele Dinge recherchiert habe und irgendwo einiges von dem was sie isst bzw. nicht isst Sinn macht.

Was hälst du von ihrer strikten und radikalen Ernährungsweise?

Danke dir
Liebe Grüße
Matilde

von Renate_S.
Am
Beiträge: 139
Registriert: 28. Januar 2013, 20:31

@ Renate_S

Hallo Matilde,

ich persönlich halte überhaupt nichts von irgendwelchen "radikalen" Ernährungsumstellungen. Ich glaube, dass wir viel zu verschieden sind, um "alleinseligmachende" Regeln aufstellen und/oder nach ihnen leben zu können.

Ich zum Beispiel habe seit der Pubertät einen Haufen Allergien, und wenn ich was Falsches esse, bekomme ich die Quittung dafür, in Form von Husten, Atemnot, Ausschlag, Verdauungsstörungen usw. usf., auch wenn hundert Diätapostel behaupten, dasunddas sei gesund, und man dürfe nur so und nicht anders leben.

Manche Sachen darf ich auch deswegen nicht essen, weil sie aufgrund von Vorerkrankungen bei mir kontraindiziert sind, z.B. blutgerinnend wirken (etwa grüne Gemüse, die Vitamin K enthalten). Mit einer nicht darauf abgestimmten Ernährung müsste ich etwa einmal in der Woche zum Blut-Abnehmen zwecks INR-Kontrolle, und ständig die Marcumardosis anpassen.

Verschiedene Gemüse, Gewürze (z.B. Paprika), Nüsse (alle), Rohgetreide (v.a. Weizen) und Sojaprodukte vertrage ich nicht, weil ich dagegen allergisch bin oder eine Unverträglichkeit habe. Ein "Milchersatz" aus Soja käme schon deswegen nicht für mich in Frage.

Da in Fertiggerichten alle möglichen Zusätze, vom Soja-Lecithin bis zum Süßstoff, enthalten sind, mache ich darum auch einen Bogen, denn sonst bekomme ich schnell mal Niesattacken, Verdauungsbeschwerden oder Ausschlag.

Andererseits habe ich (mindestens mütterlicherseits) wahrscheinlich Bauern und Hirten unter meinen Vorfahren, die sich in den Wintermonaten im Alpenraum von nichts anderem als der Milch ihrer Ziegen und Rinder ernähren konnten - vor allem während der "Kleinen Eiszeit" vom 15. bis zum 19. Jahrhundert. (http://de.wikipedia.org/wiki/Kleine_Eiszeit )

Wahrscheinlich konnten sie nur mit dieser Kost überleben und ihre Gene weitergeben, denn ohne Milch hätten sie im Winter in den Bergen nicht viel gehabt, wodurch sie Calcium und Vitamine zu sich nehmen konnten, und wären bald zugrunde gegangen. Sie hatten keine Konservendosen und keinen Gefrierschrank, nur Milch und Milchprodukte, Brot und (meist getrocknetes oder gepökeltes) Fleisch. Vielleicht noch ein paar getrocknete Beeren und Früchte. Und damit blieben sie am Leben und arbeitsfähig.

Ich habe die Milchverträglichkeit in den Genen (die mitteleuropäische Laktasepersistenz), ich habe sie von meinen Vorfahren geerbt, ich habe immer Milch getrunken und könnte allein damit überleben. Als Kind bekam ich oft Rohmilch (Vorzugsmilch), und solange ich noch meine Lebensmittel selber kaufen konnte, habe ich darauf geachtet, eine nicht rahmhomogenisierte Milch zu kaufen.

Ich glaube kaum, dass die ganzen Ernährungsapostel, die sich diese "MS-Diäten" ausdenken, die Frage beantworten können, wie ihre Regeln zu den Genen der Mitteleuropäer (mit deren Laktasepersistenz) passen. Wahrscheinlich wissen sie nicht mal, dass auch die alten Ägypter, ein zweifellos hoch entwickeltes Kulturvolk, bereits Milchwirtschaft betrieben haben, der Kuh kultische Verehrung entgegen brachten, und der Verzehr von "Milch und Honig" zu biblischen Zeiten der Inbegriff des Wohlergehens war.

Bild

Die Ägypter waren sich auch damals schon bewusst, dass sie dem Kalb die Milch seiner Mutter wegtranken (wobei sie so viel übrig lassen mussten, dass das Kalb trotzdem gedieh). Sie tranken Milch und aßen Milchprodukte, und bauten die Pyramiden, also können sie so viel nicht falsch gemacht haben. Auch wenn manche vielleicht MS bekamen - was wir nicht ausschließen können. Es kann nicht bewiesen werden, dass die Antike MS-frei war. Ich glaube es nicht! Dass es auch in der Antike schon Krebs gab, wissen wir.

Wir können nicht sicher sein, dass es die MS vor, meinetwegen, 5000 Jahren noch nicht gab. Da war doch vor 2000 Jahren mal ein Wunderheiler namens Jeschua, der Blinde wieder sehend und Lahme wieder gehend machte ... ob die vielleicht Schübe und Sehnerventzündungen hatten? Können wir mit Sicherheit ausschließen, dass es so war?

Ich glaube, dass meine MS die Folge von "bad luck and bad genes" ist, "Pech und schlechten Genen", aber deswegen verwerfe ich nicht die Kost, mit der meine Vorfahren ein paar hundert Jahre lang erfolgreich überlebt haben - auch in Zeiten, als das noch nicht so einfach war.

Dass ich MS habe, schreibe ich eher dem Umstand zu, dass ich als Baby dank der modernen Medikamente eine Krankheit überlebt habe, an der ich zehn Jahre früher noch gestorben wäre (Osteomyelitis). Wenn ich seit 58 Jahren tot wäre, hätte ich keine MS bekommen.

Aber dadurch, dass wir dank der modernen Medizin heutzutage auch mit schlechten Genen überleben können, machen sich bei uns eben mehr und mehr genetisch bedingte Krankheiten und Defekte bemerkbar, mit denen wir zweihundert Jahre früher nur eine Zahl in der Säuglingssterblichkeitsstatistik gewesen wären.

Wie so viele: Von Johann Sebastian Bachs zwanzig Kindern aus zwei Ehen starben elf als Säuglinge oder im Kleinkindalter. Wer weiß, ob unter ihnen nicht ein paar MS-Anwärter waren. Kaiserin Elisabeth von Österreich ("Sisi") verlor ihr erstes Kind, die Tochter Sophie, mit zwei Jahren. "Bad genes"?

Weil ich an "bad luck and bad genes" glaube, und nicht an gesundheitsschädliche Ernährung, lese ich alle "radikalen" Essensvorschriften höchstens diagonal, und je strenger sie daherkommen, und je radikaler die Umstellung ist, die sie postulieren, desto schneller lege ich sie weg oder klicke sie zu, weil ich nicht glaube, dass sie für mich relevant sind. Ich bin kein eineiiger Zwilling von Terry Wahls. Als ich ein Kind war, gab es noch nicht mal Tiefkühlkost oder süßstoffhaltige Softdrinks.

Mich interessiert auch nicht, wie die MS-freien Asiaten sich ernähren, denn sie haben andere Gene als wir, und betreiben traditionell keine Milchwirtschaft, sondern essen vor allem Schweinefleisch. Ob sie deshalb weniger MS haben, ist reine Spekulation. Vielleicht haben sie dafür was anderes häufiger.

Ich esse das, was man in unseren Breiten und meiner Familie schon seit Jahrhunderten gegessen hat: Milch und Fleisch, Brot, Butter, Kartoffeln, Gemüse und Obst. Manches kam bei uns nie auf den Tisch: Margarine ("Butterersatz aus dem Krieg"), Süßstoff, Fertignahrung ("Plastikfraß").

Als Kind bekam ich nicht mal Cola, denn "da ist Kaffee drin, der ist schädlich für Kinder." Geputzt wurde mit Schmierseife, Essig, Spiritus. Ich bin ohne Fernsehen und Handy aufgewachsen, und Tippen habe ich an der mechanischen Schreibmaschine gelernt ("Erika", Baujahr 1938).

Die ganzen wohlfeilen MS-Hypothesen der fortschrittsmüden Zivilisationsgegner prallen an mir ab, weil ich mich davon nicht getroffen fühle. Ich glaube nicht, dass das, was für meine Vorfahren jahrhundertelang richtig war, jetzt auf einmal falsch ist. Ich höre auf meinen Körper und gebe ihm, wonach ihn verlangt, und was er mir durch Appetit und Gelüste signalisiert. Auch Getreide, Milchprodukte, Schweinefleisch.

Ich glaube, diese (meist) amerikanischen Ernährungsgurus propagieren eine Ernährung, die für Amerikaner neu und anders ist, aber die Älteren von uns haben schon so gegessen, als die noch nicht mal geboren waren - weil es zu unserer Zeit nichts anderes gab.

Wenn wir die MS wirklich schon seit der Pubertät in uns hätten, dann wäre ich mit meinem Körper nicht gar so falsch umgegangen, denn der MiSt machte sich erst mit 48 bemerkbar, und vielleicht spricht das ja nicht gegen meine Lebensweise und Ernährung, sondern dafür.

Liebe Grüße
Renate
Zuletzt geändert von Renate_S. am 11. Februar 2013, 18:53, insgesamt 1-mal geändert.

von Renate_S.
Am
Beiträge: 139
Registriert: 28. Januar 2013, 20:31

@ Renate_S

*grmpf* Diese Smileys! Hier habe ich keine haben wollen!

von matilde1807
Am
Beiträge: 45
Registriert: 24. Januar 2013, 14:48

@ Renate_S

Liebe Renate,

ich habe erst heute gesehen,dass du mir bereits gestern geantwortet hast.

Deine ausführlichen Antworten sind interessanter, als so manche Bücher - weswegen ich es förmlich genieße deine Beiträge zu lesen.

Vielen, lieben Dank für deine Zeit und tolle Antwort!

Liebe Grüße
Matilde

von Renate_S.
Am
Beiträge: 139
Registriert: 28. Januar 2013, 20:31

@ Renate_S

Hallo Matilde,

herzlichen Dank für das nette Kompliment! - Hihi, ich muss zugeben, dass man im neuen Forum Bilder verlinken kann, das gefällt mir ganz gut! Und wenn es nur eins ist, um die altägyptische Milchwirtschaft zu illustrieren.

Beim Melken wurde das Kalb am Vorderbein der Kuh angebunden, so kam es nicht ans Euter dran, war aber trotzdem immer bei ihr, direkt vor ihrer Nase, und sie konnte es riechen und lecken, wurde nicht nervös und ließ sich brav melken. Man sieht das öfter auf altägyptischen Darstellungen des Melkens. Die haben sich schon was dabei gedacht!

Ja, ich hätte auch einfach schreiben können: "Ich bin bekennend diätresistent und mache mir nichts aus Terry Wahls", aber ich neige ja immer zue Weitschweifigkeit ... Und ich meine, wir sind viel zu verschieden, als dass man allgemeingültige Regeln aufstellen könnte, auch für die Ernährung. Danke fürs Lesen!

Liebe Grüße
Renate