Auslöser

Epstein-Barr-Virus: Auslöser für Multiple Sklerose gefunden?

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Forschende der Harvard Chan School of Public Health sind sich sicher, den entscheidenden Faktor für die Entstehung von Multipler Sklerose gefunden zu haben: das Epstein-Barr-Virus (EBV).

EBV aus Sicht US-Forschender Hauptursache für MS

Eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) ist nach Einschätzung amerikanischer Wissenschaftler*innen sehr wahrscheinlich die Voraussetzung dafür, an Multipler Sklerose zu erkranken. Das Virus, das für den Ausbruch des sogenannten Pfeifferschen Drüsenfiebers verantwortlich ist, gilt schon länger als ein Risikofaktor für MS. Nun kommt eine im renommierten Magazin „Science“ veröffentlichte Studie der Harvard Chan School of Public Health zu dem Ergebnis, dass das Epstein-Barr-Virus die Hauptursache für eine MS-Erkrankung ist. Das EBV ist weit verbreitet. Laut Studie infizieren sich 95 Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens mit dem zu den Herpesviren gehörenden EBV – was nicht heißt, dass alle EBV-Infizierten auch an MS erkranken.

Studie auf Basis riesiger Datenmenge

Bei ihrer Untersuchung griffen die Wissenschaftler*innen auf Blutproben von mehr als zehn Millionen US-Militärangehörigen über einen Zeitraum von 20 Jahren zurück. Von den Militärangehörigen entwickelten 955 im Verlauf des Untersuchungszeitraums eine MS. Davon hatten 801 ausreichend Blutproben abgegeben, sodass sie in die Analyse aufgenommen werden konnten. 35 von ihnen waren in ihrer ersten Blutprobe noch EBV-negativ. Vor dem Ausbruch der MS infizierten sich allerdings 34 der 35 Personen mit EBV. Erst nach der Infektion waren die für eine Früherkennung von MS typischen Blutmarker zu erkennen.

Ergebnisse der Studie werden als „Meilenstein“ gesehen

Die Studie wird von Seiten der Fachwelt vorwiegend als äußerst vielversprechend gesehen. So begreift Prof. Dr. med. Ralf Gold, Direktor der Neurologischen Klinik am St. Josef Spital der Ruhr-Universität Bochum und Vorsitzender des Beirats der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG), die Studie als „Meilenstein“.

Auch Prof. Dr. med. Klemens Ruprecht, Leiter Multiple Sklerose-Ambulanz an der Charité, sieht in der Studie bestätigt, dass es „praktisch keinen Zweifel mehr an einem kausalen Zusammenhang“ zwischen der Erkrankung am Epstein-Barr-Virus und der Entwicklung von Multipler Sklerose gibt.

Etwas vorsichtiger ist Prof. Dr. med. Roland Martin, Gruppenleiter Neuroimmunologie und Multiple Sklerose am Universitätsspital Zürich, der auf andere Faktoren wie z. B. Vitamin-D-Mangel, Rauchen oder Fettleibigkeit im späten Kindesalter als potenzielle Auslöser der MS verweist.

Kommt ein Impfstoff gegen das Epstein-Barr-Virus?

Gegenwärtig wird bereits verstärkt darüber nachgedacht, einen Impfstoff zu entwickeln, der eine Infektion mit EBV oder eine Erkrankung am Pfeifferschen Drüsenfieber verhindert. Pharmahersteller sind dabei, einen Impfstoff auf mRNA-Basis zu entwickeln. Auch das Helmholtz Zentrum München unter Leitung von Prof. Dr. med. Wolfgang Hammerschmitt arbeitet intensiv am Thema. Allerdings ist es nach Einschätzung von Hammerschmitt eher unwahrscheinlich, dass ein EBV-Impfstoff entwickelt wird, der komplett verhindert, dass sich EBV im Körper festsetzt. Realistischer ist seiner Einschätzung nach ein Impfstoff, der verhindert, dass bei Infizierten das Pfeiffersche Drüsenfieber ausbricht – und somit das zusätzliche MS-Risiko ausschaltet.

Auch Ruprecht warnt vor zu viel Euphorie. So wäre seiner Ansicht nach eine EBV-Impfung zwar die „ultimative Lösung.“ Aber nur wenn diese „zuverlässig und zudem dauerhaft vor einer Infektion schützt“. Selbst in diesem Fall würde es allerdings Jahrzehnte dauern, bis abschließend klar wäre, ob ein solcher Impfstoff tatsächlich einen Schutz vor MS bewirken würde.

Die besprochene Studie ist in der Fachzeitschrift Science erschienen: Longitudinal analysis reveals high prevalence of Epstein-Barr virus associated with multiple sclerosis, Bjornevik et al., 2022

Die Publikation kann kostenpflichtig heruntergeladen werden.