Viele Menschen mit MS fühlen oft eine große Erschöpfung, die in keinem Verhältnis zu einer vorangegangenen Anstrengung steht. Die sogenannte Fatigue ist ein häufiges Symptom der Multiplen Sklerose und kann den Alltag mitunter stark beeinträchtigen.1
Betroffene selbst beschreiben und erleben das Symptom wie folgt: „Fatigue“ ist so ein blödes Wort. Klingt wie „Ich muss mich mal kurz aufs Sofa setzen“. Aber in Wirklichkeit ist es eher „Ich kann mich kaum rühren, geschweige denn denken; ich fühle mich wie nach einer schweren Grippe“. „Man weiß nie, wann die Fatigue wieder zuschlägt. Manchmal muss ich ein Treffen mit Freunden absagen oder einen tollen Ausflug abbrechen, weil ich plötzlich keine Kraft mehr habe. Ich muss immer Ruhetage einplanen, um eine totale Erschöpfung zu vermeiden. Dadurch wirkt mein Zeitplan ziemlich vollgestopft.“ oder „Sorry, am Mittwoch habe ich keine Zeit, das ist mein Ruhetag. Zum Glück haben meine Freunde Verständnis dafür“.2
Diese Umschreibungen machen begreifbar, was das Symptom Fatigue im Alltag für die Betroffenen mit sich bringt. Einige einfache, regelmäßig angewendeten Maßnahmen, wie regelmäßige Ruhepausen und moderates Sporttraining können zumindest etwas dabei unterstützen die übermäßige Müdigkeit in den Griff zu bekommen.1
Die Bezeichnung Fatigue kommt aus dem Französischen und bedeutet Erschöpfung.3 Rund 70 bis 90 Prozent aller Menschen mit MS kennen das Gefühl der abnormen Erschöpfbarkeit.1 Damit ist Fatigue ist eines der häufigsten MS-bedingten Symptome und zeichnet sich durch einen erhöhte Erschöpfbarkeit der sich als abnorme Müdigkeit und anhaltenden Mangel an Energie auszeichnet und das tägliche Funktionieren beeinträchtigt.4 Diese Erschöpfung unterscheidet sich deutlich von der Müdigkeit, die gesunde Menschen verspüren. Dieses Symptom kann entweder dauerhaft vorhanden sein oder sich im Laufe des Tages einstellen oder verstärken.4
Die Auswirkungen von Fatigue können individuell sehr unterschiedlich sein. Viele Betroffene fühlen sich bereits nach einfachen Alltagstätigkeiten wie Duschen, Abwaschen oder Staubsaugen völlig ausgelaugt.5
Mitunter kann die Fatigue nur während eines Schubes auftreten. Bei vielen Patient*innen kann sie jedoch in einen chronischen Zustand übergehen und bleibt anhaltend bestehen. Je nach Intensität der Fatigue kann sie zu erheblichen Einschränkungen im Alltag und der Lebensqualität führen.1,4,6 Auch am Arbeitsplatz kann die Gefahr einer ständigen Überforderung bestehen, weil die Betroffenen Angst davor haben können, als faul und unwillig zu gelten.6
Abb.aus Penner IK. Evaluation of cognition and fatigue in multiple sclerosis: daily practice and future directions. Acta Neurol Scand. 2016 Sep;134 Suppl 200:19-23. doi: 10.1111/ane.12651. PMID: 27580902.7
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Die Ursachen der Fatigue sind noch nicht vollständig geklärt. Generell unterscheiden Mediziner zwei Formen: die primäre und die sekundäre Fatigue.1
Expert*innen führen die primäre Fatigue unmittelbar auf die MS zurück: Dabei bewirken die MS-typischen Schädigungen des zentralen Nervensystems (ZNS), dass sich Bewegungen und Reaktionen der Betroffenen verlangsamen. Diese empfinden dadurch eine starke Erschöpfung und Müdigkeit.1
Von der Fatigue im engeren Sinne (primäre Fatigue) sind sekundäre Mechanismen abzugrenzen. Hier können verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. So schränken Schlafstörungen die Leistungsfähigkeit am Tag ein und erhöhen die Ermüdbarkeit. Symptome wie Geh- und Sehstörungen führen mitunter dazu, dass alltägliche Tätigkeiten für den Körper sehr anstrengend und die Betroffenen schneller erschöpft sind.
Auch Depressionen, die als Folge der Nervenschädigungen oder der psychischen Belastung durch die MS auftreten, gehen manchmal mit einer ausgeprägten Müdigkeit einher. Darüber hinaus können einige Medikamente als Nebenwirkung Müdigkeit auslösen.1
Bei der Behandlung der Fatigue stehen vor allem nicht-medikamentöse Maßnahmen im Vordergrund.4 Sekundäre Mechanismen bei der Entstehung einer Fatigue müssen erkannt und gezielt behandelt werden.1 Zu den nicht-medikamentösen Therapiemaßnahmen der Fatigue die Vermittlung von Energiemanagement-Strategien.2 So kann durch Planung der körperlichen und geistigen Tagesaktivitäten und regelmäßigen Ruhepausen die vorhandenen Energieressourcen über den Tag verteilt genutzt werden. Auch eine kognitive Verhaltenstherapie mit Achtsamkeitstraining und ggf. ein Aufmerksamkeitstraining können die Situation für Betroffene verbessern.1, 2 Für das körperliches Ausdauertraining eignen sich Sportarten wie Nordic Walking, Laufen oder auch ein Ergometer.2 Durch ein gezieltes Training kann der Aufbau der Muskulatur unterstützt werden, was einer raschen Ermüdung entgegenwirken kann.1, 2 Für Betroffene und Angehörige ist es wichtig zu wissen, dass die abnorme Müdigkeit ein Symptom der MS sein kann. Ein Arzt oder eine Ärztin sollte zudem andere Ursachen wie Medikamente, Depression, Schlafstörungen, Blutarmut oder akute Infektionen ausschließen, die ebenfalls zu einer erhöhten Müdigkeit führen können.4