Kognition

Wenn die geistige Fitness nachlässt

Kognitive Beeinträchtigungen, wie z.B. Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme, sind bei Menschen mit Multipler Sklerose häufig. Treten diese Symptome auf, dann häufig bereits früh im Krankheitsverlauf.1 Kognitive Beeinträchtigungen treten bei etwa 57-68% der Betroffenen auf und können mit einer Einschränkung in der Lebensqualität in Zusammenhang stehen.1,2 Eine frühe Diagnose und eine frühe effektive Behandlung der MS mit einer wirksamen verlaufsmodifizierenden Therapie sind daher sehr wichtig und können helfen, den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen.3 So kann das Auftreten von kognitiven Beeinträchtigungen entweder ganz verhindert oder das Fortschreiten verringert werden, was langfristig zum Erhalt der Lebensqualität beiträgt.3

Unsichtbare Symptome, großer Leidensdruck

Sind die sogenannten „höheren“ Gehirnfunktionen, also Fähigkeiten wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Lernen beeinträchtigt, sprechen Mediziner von Kognitionsstörungen. Die Bezeichnung „Kognition“ geht auf das lateinische Wort „cognoscere“ (= erfahren, erkennen) zurück.

Kognitive Beschwerden gehören zu den unsichtbaren Symptomen der MS, da sie anders als körperliche Einschränkungen nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Bereits leichte kognitive Beeinträchtigungen können sich auf den Alltag auswirken und zu Stress und Missverständnissen in der Familie oder am Arbeitsplatz führen.5 Etwa die Hälfte, je nach Quelle etwa 57-68%, aller Menschen mit MS leiden unter kognitiven Problemen, unabhängig von der Dauer und Schwere ihrer Erkrankung; allerdings ist somit auch ein großer Teil der MS-Betroffene ohne solche Symptome.2,5

Warum Entzündungen geistige Prozesse verlangsamen

Die Frage nach den Ursachen der kognitiven Beeinträchtigung bei MS ist bisher noch nicht hinreichend geklärt.5 Es wird angenommen, dass unterschiedliche Faktoren zusammen zu einer Veränderung der kognitiven Leistungsfähigkeit führen können. Darunter fallen zum Beispiel Faktoren wie Lage der Läsion oder deren pathologische Veränderung.5 Sind zum Beispiel Bereiche des Gehirns betroffen, denen eine tragende Rolle in der Gedächtnisbildung zukommen, zum Beispiel der Hippocampus oder auch der Thalamus, kann dies kognitive Beeinträchtigungen verursachen.6,7 Eine weitere Ursache für das Auftreten von kognitiven Beeinträchtigungen liegt wahrscheinlich darin, wenn ein MS-Krankheitsverlauf nur unzureichend therapiert ist und es immer wieder zu Entzündungen im Gehirn kommt.6 Hierdurch kann die Gehirnmasse als solche geringer werden. Diesen Prozess nennt man Gehirnatrophie.7

Wahrscheinlich ist die Hirnatrophie nach aktuellem Kenntnisstand der beste Vergleich für die kognitiven Beeinträchtigungen bei MS. Aufgrund verschiedener Faktoren, wie der Plastizität des Gehirns und der kognitiven Reserve, besteht jedoch keine direkte Beziehung zwischen dem Ausmaß der Hirnatrophie und dem Grad der kognitiven Beeinträchtigung.6

Aufmerksamkeit und Gedächtnis: So äußern sich kognitive Probleme

Wie bei anderen Symptomen der MS gibt es auch bei kognitiven Einschränkungen starke Unterschiede zwischen den einzelnen Betroffenen. Am häufigsten treten Beeinträchtigungen in folgenden Bereichen auf:

  • Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung und Aufmerksamkeit:

    Betroffene haben zum Beispiel Schwierigkeiten, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun oder sich länger auf etwas zu konzentrieren.

  • Gedächtnis:

    Es treten zum Beispiel Schwierigkeiten beim Erinnern oder Behalten neuer Informationen auf.

  • Exekutive Funktionen (Handlungsplanung und problemlösendes Denken):

    Betroffene finden z. B. in Gesprächen das richtige Wort nicht mehr oder es fällt ihnen schwer, über komplexe Sachverhalte zu urteilen.

  • Räumlich-visuelle Wahrnehmungsleistung:

    Betroffene greifen zum Beispiel neben einen Gegenstand, weil die Größe falsch eingeschätzt wird oder Schwierigkeiten in der Orientierung vorliegen.

Fragen zum Umgang mit deinen Symptomen im Alltag? Erfahrene MS-Coaches im MS Service-Center kennen gute Tipps. Nimm einfach Kontakt auf.

Behandlungsmöglichkeiten: Warum eine frühe Diagnose wichtig ist

Da kognitive Probleme mit einem großen Leidensdruck einhergehen, ist eine frühe Diagnose sehr wichtig. Für Menschen mit MS gibt es spezielle neuropsychologische Tests, die kognitive Störungen messen. Diese Tests können dem Arzt helfen, die kognitive Leistungsfähigkeit der einzelnen Teilbereiche differenziert zu beurteilen. Ist bekannt, in welchen Bereichen der Betroffene Probleme hat, wählt der Arzt die entsprechende Therapie. Diese besteht in der Regel aus mehreren Maßnahmen:

  • Bestimmte Kognitionsübungen können geschwächte und vorhandene Fähigkeiten stärken.
  • Verhaltensstrategien können helfen, Einschränkungen im Alltag zu überwinden oder auszugleichen.
  • Psychologische Betreuung kann Ängste verringern und für mehr Selbstbewusstsein sorgen.

Fünf hilfreiche Tipps für den Alltag

  1. Lege wichtige Gegenstände wie Autoschlüssel, Brille oder Geldbeutel immer an den gleichen Platz. Das erspart dir zeitraubende Suchaktionen.
  2. Hast du Schwierigkeiten, dich an Termine zu erinnern, helfen Terminplaner und elektronische Organizer.
  3. Dir liegt ein Wort auf der Zunge, das dir nicht einfällt? Versuche, dich zu entspannen. Vielleicht benutzt du ein anderes Wort oder du umgehst die Situation, indem du etwa sagst: „Ich komme gleich noch einmal darauf zurück“.
  4. Hast du Probleme, einer längeren Unterhaltung zu folgen, kannst du zum Beispiel immer wiederholen und zusammenfassen, was die andere Person gesagt hat. Das fühlt sich anfangs vielleicht etwas seltsam an, kommt bei deinem Gegenüber aber meist gut an: Denn jeder freut sich, wenn man einem Gespräch so viel Aufmerksamkeit schenkt.
  5. Müdigkeit und Erschöpfung können kognitive Probleme verstärken. Versuche daher, den Zeitpunkt für wichtige Gespräche so zu planen, dass du ausgeruht bist. Ist das nicht möglich, nimm dir vor dem Gespräch eine kleine Ruhepause.